Das Backhaus

Treffpunkt im alten Ortskern Bebra: das Backhaus am Platzborn. Foto: Gerhard Manns

Das Backhaus am Platzborn ist das letzte von ursprünglich 36 Backhäusern in Bebra. Auf dem Stadtplan aus 1775 ist es noch nicht abgebildet, auf dem Kartenblatt 26 der Flurkarte von 1880 ist es eingezeichnet auf dem auch damals unbebauten Grundstück neben dem Hof von Landwirt Georg Holl. Aus dem Kataster der Hessischen Brandversicherung von 1890 ergibt sich, dass es gemeinsamer Besitz von Georg Holl, Konrad Schmidt, Heinrich Keßler, Heinrich Wittich, Christoph Häde, Nikolaus Wittich, Georg Völlkopf und Joseph Sommer war, also von sieben Familien aus der Nachbarschaft gemeinsam betrieben wurde. Um 1930 wurde der Backofen gründlich saniert. Dieser Ofen ist bis heute erhalten. Etwa 30 Bauernbrote passen in den Ofen. Der Ofen wurde auch zum Backen von Kuchen für größere Weihnachtsfeiern, für die Weihnachtsbäckerei, zum Dörren von Obst und für die Zubereitung von Festtagsbraten genutzt. Bis wann das Backhaus regelmäßig genutzt wurde, lässt sich nicht mehr erkunden. Zeitzeugen erinnern sich an nur noch gelegentliche Nutzungen in den 1950er Jahren. Der angrenzende Bauernhof der Familie Holl ist 2008 leider abgebrannt.

Der 2009 gegründete Verein „Interessengemeinschaft Backhaus am Platzborn e.V.“ verfolgt die Wiederbelebung des letzten Bebraer Backhauses mit viel ehrenamtlichem Engagement. Mit Unterstützung der Stadt Bebra und von heimischen Firmen hat er das Backhaus restauriert. Am 26. Juli 2015 fand bei bestem Wetter die mit einem Gottesdienst eröffnete Einweihungsfeier statt. Mit der Rettung des Backhauses hat man in Bebra dank des Vereins ein Stück Tradition bewahrt und ein historisches Bauwerk saniert und erhalten.

Planen und bauen

Bereits ab 1972 entstanden im Rahmen der „Stadtsanierung I“ erste Pläne zur Erhaltung des Platzbornes und des Backhauses als Erinnerung an das Bauerndorf Bebra. Diese Planungen wurden allerdings nicht vorangetrieben, stattdessen wurde über den Abriss des baufällig gewordenen Bachhauses diskutiert. Erst ab 2003 wurde seitens des Sanierungsbüros, des Stadtbauamtes und der Bürgerinitiative „Zukunft für Bebra“ für eine Umsetzung der Idee geworben.
Seit 2009 kümmert sich die „Interessengemeinschaft Backhaus am Platzborn e.V.“ um das Eckgrundstück an der Pfarrstraße und darum, das Backhaus in einen funktionsfähigen Zustand zu bringen und für Backaktionen nutzbar zu machen.
Während der Planungen für die Sanierung des Backhauses kümmerte sich der Verein zunächst um die Pergola, Sitzgelegenheiten und Grünanlage. Dazu wurde das Gelände im unteren Bereich abgetragen und begradigt.
Der Rückbau des alten Backhauses erfolgte in 2011. Nur der alte Backofen wurde komplett erhalten und gegen Regen gesichert. Beim Abbau zeigte sich, dass nur wenige Teile vom alten Gebälk als Querriegel wiederverwendet werden konnten.
Wegen der erforderlichen neuen Baugenehmigung war längere Zeit kein sichtbarer Baufortschritt am Backhaus erkennbar.
Nach Erteilung der Baugenehmigung im November 2013 ging es dann zügig voran: Auszubildende von der Lehrbaustelle in Bebra haben ein neues Fundament und einen Sockel aus Natursteinen errichtet. Währenddessen wurde in einer Scheune von Vereinsmitgliedern und Auszubildenden unter der sachkundigen Leitung von Zimmerermeister Jörg Hohmeister ein neues Fachwerk für das Backhaus gezimmert. Hier fand Eichenholz vom Haus Pietraß aus der Nachbarschaft eine neue Verwendung, ergänzt um Teile einer am Bebrabach gewachsenen Eiche, deren Holz sich der Verein gesichert hatte. Das Fachwerk ist an der Straßenfront und den Seiten optisch der alten Ausgestaltung angeglichen und auch an der Rückseite in gleicher Form ausgeführt worden. Im Zuge der Wiedererrichtung wurde der Eingang von der nördlichen Giebelseite auf die Rückseite verlegt, weil dies für die Nutzung mit Gruppen praktikabler und verkehrssicherer ist. Das Fachwerk wurde in Eigenleistung mit ungebrannten Lehmziegeln ausgemauert und mit Lehmputz verkleidet.
Viele weitere Arbeitsstunden waren notwendig, um das Backhaus fertigzustellen. Am 26. Juli 2015 fand die feierliche Einweihung statt. Ziel ist es, Backhaus und Platzborn zum Treffpunkt für Jung und Alt zu etablieren.

Gemeinschaftswerk mit lokaler Unterstützung

Die Stadt Bebra hat für die Wiedererrichtung des Backhauses Restmittel aus der Stadtsanierung I zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Firmen und Institutionen haben die Wiedererrichtung des Backhauses und die Gestaltung des Platzborns durch Geldspenden, Baumaterialien, kostenfreie Maschinennutzung und Planungsleistungen unterstützt, darunter die Firma Beisheim, Balduf Steinmetzbetrieb, Firma Jacob, die Lehrbaustelle der Kreishandwerkerschaft, ADFC Kreisverband Hersfeld-Rotenburg, Architektin Silke Holzhauer, der Bauhof und die Stadtwerke der Stadt Bebra.
Auch die Nachbarn waren tatkräftig mit am Werk: Rehwalds Scheune diente als Werkstatt, Keßlers etwa holten Steine und standen mit Rat und Tat zur Seite. Auch Alexander Reifschneider, Enkel der Hamburger Anna (Keßler), half mit, ebenso einige Kinder.

Die Geschichte von Backhäusern

Schon vor mindestens 12.000 Jahren haben Menschen Wildgetreide als Nahrung genutzt. Zunächst wurden die rohen oder gerösteten Körner gekaut, später ungekochte Getreidebreie gegessen. Die ersten Fladenbrote hat man ohne Treibmittel gebacken. Die Ägypter kannten schon 6.000 vor Christi Sauerteig und Hefe. In Ägypten wurden bienenkorbförmige Backöfen aus Lehm und Tonscherben gefunden, die 3.500 vor Christi gebaut wurden.
Im mittelalterlichen Mitteleuropa gab es in den Städten, auf Gutshöfen und in Klöstern Backöfen und Backhäuser, während die ärmere ländliche Bevölkerung noch lange vorwiegend Getreidebreie aß. Erst ab dem 14. Jahrhundert war der Back-ofen auf dem Bauernhof weit verbreitet – mit gefährlichen Folgen, da von den Backöfen wegen fehlender feuersicherer Schornsteine viele Brandkatastrophen ausgingen. Ab dem 17. Jahrhundert wurde versucht, durch Feuer- und Brandordnungen die Backöfen in den Gehöften zu verbieten und alleinstehende Backhäuser möglichst am Ortsrand zu fördern. In vielen Dörfern wurden Gemeindebackhäuser errichtet oder Bauern taten sich zusammen und errichteten gemeinsam Backhäuser, die den feuerpolizeilichen Vorschriften entsprachen. Bei der Standortwahl stand die Bequemlichkeit im Vordergrund: Wichtig waren kurze Wege zum Haushalt, der Zugang zu sauberem Wasser und der Blick auf die Kirchturmuhr, um die Backzeit gut steuern zu können.
Energiesparen war bei den gemeinschaftlich genutzten Backhäusern schon immer ein Thema: Da der Holzverbrauch deutlich geringer ist, wenn sich ein Ofen mit Resthitze viel schneller wieder auf 280 Grad hochheizt als ein kalter Ofen, waren gemeinsame Backtage üblich. Für die Gemeindebackhäuser wurde jeweils am Vortag die Backreihenfolge der Haushalte ausgelost. Unattraktiv waren der erste Platz (großer Zeit- und Holzbedarf) und der letzte Platz (der letzte Nutzer musste das Backhaus reinigen).
In Nordhessen werden die Backöfen traditionell mit Reisigbündeln („Wellen“) von Buchen oder Eichen angeheizt. Etwa 8-10 Bündel sind für das Aufheizen des Ofens nötig. Wenn das Holz heruntergebrannt ist, wird die Glut auseinander gezogen, um den Ofen gleichmäßig aufzuheizen. Wenn die Glut nachlässt und die Decke des Ofens noch nicht weiß ist, muss noch einmal nachgelegt werden. Wer es genau nimmt, macht mithilfe von Ähren oder Mehl auf dem Schieber einen Hitzetest: Verfärben sich Ähren oder Mehl schwarz, ist der Ofen zu heiß. Werden sie braun, hat er die richtige Backtemperatur. Wenn der Ofen die nötige Hitze erreicht hat, werden Glutreste und Asche mit der „Krücke“ aus dem Ofen gezogen. Der Ofen wird mit einem feuchten Sack ausgefegt. Anschließend wird das schnell noch feucht abgewischte Brot mit dem „Backhalter“ einschossen. Nach ein- bis eineinhalb Stunde Backzeit werden die Brotlaibe herausgeholt, mit Wasser abgewaschen und noch einmal für etwa eine Viertelstunde in den Ofen geschoben. Die Garprobe machen die erfahrenen Backfrauen mit einem Hörtest: Klingt die Rinde, wenn man mit dem Fingerknöchel darauf schlägt, ist das Brot gar. Jetzt wird es ausgeschossen und muss langsam auskühlen und ausdünsten.

Für Veranstaltungen, angemeldete Gruppenführungen, Schulklassen und Interessierte ist das Backhaus im alten Dorfkern nach Absprache geöffnet.